INFOBRIEF
WIRTSCHAFTSDEUTSCH: ISSN 1439-3700 Düsseldorf, Januar 2000 |
|||
Wirtschaftsdeutsch im Internet Matthias Jung/Rüdiger Riechert Der Artikel wurde zuerst in Heft 21 "Neue Medien im Deutschunterricht" der Zeitschrift "Fremdsprache Deutsch" veröffentlicht. Die Zeitschrift erscheint halbjährlich bei Klett-International. |
1. Wirtschaftsdeutsch und Internet: BesonderheitenDer Einsatz des Internet für Unterrichtszwecke erscheint vielen eher als Zukunftsmusik, weil zu sehr abgehoben von der Realität ihrer Lerngruppen. Dies liegt zum Teil an der falschen Vorstellung, das Internet "nur" als direktes Unterrichtsmedium anzusehen. Am Beispiel des berufsbezogenen Deutschunterrichtes läßt sich die umfassendere didaktische Qualität der neuen Infrastruktur sehr gut demonstrieren, da dieser Teilbereich in besonderem Maße von den heute schon vorhandenen Ressourcen profitieren kann. Bei der Vermittlung des Wirtschaftsdeutschen ist der Zwang zur Aktualität, Authentizität und vor allem zur Spezialisierung größer als im allgemeinsprachlichen Deutschunterricht. Wer den Namen des neuen Wirtschaftsministers nicht weiß, blamiert sich schnell, und Lerner, die bereits im Beruf stehen, werden sich auch nicht mit dem Hinweis zufriedengeben, daß ein Euro ca. DM 1,96 wert ist, sondern den genauen Kurs wissen wollen, wie er am 31.12.1998 festgesetzt wurde und für sie bei der Arbeit relevant ist. Mit dem Internet enstehen auch neue fremdsprachgebunde berufliche Qualifikationen: Das Schreiben von E-Mails an Kunden in Österreich, der Schweiz oder Deutschland gehört ebenso dazu wie die Recherchekompetenz im deutschsprachigen Teil des Net. Der Umgang mit dem Internet fördert das Selbstlernen und die Medienkompetenz der Lernenden, vor allem bietet er große Chancen für die Lehrenden, und zwar auch dann, wenn das Internet in ihrer Unterrichtsgestaltung selber (noch) gar nicht vorkommt: Einerseits Fundgrube für authentische Unterrichtsmaterialien, kann es andererseits der dringend notwendigen permanenten Selbstweiterbildung im Bereich Wirtschaftsdeutsch dienen. Wer hier unterrichtet, steht unter einem doppelten Druck: Man muß nicht nur gut Deutsch sprechen und vermitteln können, nein, verlangt wird gleichzeitig auch eine nicht unbeträchtliche Expertise in der Sache "Wirtschaft", zumal man es in der Regel mit Lernern zu tun hat, die einem fachlich voraus sind. Obwohl gerade der Bereich Wirtschaftsdeutsch sehr unterschiedliche Lehr- und Lernkonstellationen kennt, läßt sich dennoch sagen, daß der überwiegende Teil der Unterrichtenden eine allgemeinsprachliche Deutschlehrerausbildung durchlaufen und sich Wirtschaftskenntnisse autodidaktisch angeeignet hat. Der umgekehrte Fall oder gar eine echte Doppelqualifikation Sprache/Wirtschaft sind die Ausnahme. Im folgenden Überblick soll deshalb das Schwergewicht auf Internet-Ressourcen für Lehrende gelegt werden, die aber gleichzeitig auch für viele Lernende relevant sein werden:
Gerade angesichts der Vielfalt und schieren Menge der WWW-Ressourcen, die in der Perspektive des Wirtschaftsdeutschunterrichts relevant sein können, wäre die Auflistung einzelner Adressen wenig sinnvoll. Die in den anderen Artikeln dieses Heftes genannten Linklisten für Deutsch als Fremdsprache allgemein enthalten fast alle explizit wirtschaftsrelevante Kategorien. Natürlich geben auch die deutschsprachigen Webkataloge (Yahoo, Dino u.a.) einiges her. Im Rahmen einer gezielten Unterrichtsvorbereitung erweist sich auch die Benutzung von Suchmaschinen und Webkatalogen - den universalen Wegweisern durch das rasant wachsende Informationsangebot - als sehr zeitaufwendig. Ökonomischer erscheint uns eine didaktische Leitseite, die aus der Perspektive der Lehrenden und Lernenden konzipiert ist. Unter der eingängigen URL http://www.wirtschaftsdeutsch.de/ haben wir beim Institut für Internationale Kommunikation (IIK Düsseldorf e.V.) versucht, mit dem "Forum Wirtschaftsdeutsch" einen entsprechenden Einstiegspunkt ins Internet zu schaffen.1 Über Suchhilfen hinaus bietet diese Adresse eine ganze Reihe von Serviceleistungen für Lehrende und Lernende im Bereich Wirtschaftsdeutsch:
Hier wie bei allen im Folgenden erwähnten Ressourcen gilt als Bedingungen, daß sie deutschsprachig sind und daß für die vorgestellten Webangebote keine zusätzlichen Nutzungskosten anfallen. |
2. Individuelle Information und sprachlich-fachliche WeiterbildungUm im Wirtschaftsgeschehen ständig auf dem Laufenden zu bleiben, bieten sich entsprechende Online-Medien an. Hier kann man selber ins Netz gehen und seine persönlichen Lieblingsadressen durchstöbern ("Hol"- bzw. "Pull"-Prinzip) oder sich die Nachrichten und Hinweise im - kostenlosen - E-Mail-Abonnement nach Hause schicken lassen ("Bring" bzw. "Push"-Prinzip). In der Rubrik "Wirtschaft Aktuell" der Kommentierten Webliographie Wirtschaftsdeutsch (KWW) sind entsprechende Adressen nach Ausführlichkeit bzw. Periodizität der Informationen sortiert: Ständig aktualisierte Nachrichtendienste, Wirtschaftsteile von Tageszeitungen und Fachzeitschriften stehen so schneller zur Verfügung als beim Weg über die Suchmaschinen. Erwähnenswert sind insbesondere solche Dienste, die nach Stichwort- und Rubrikvorgaben eine "persönliche Webzeitung" aus online verfügbaren Artikeln zusammenstellen und sich nach speziellen Wirtschaftsinteressen konfigurieren lassen. Hinzu kommen als "Push-Medium" wirtschaftsbezogene "Newsletter" (E-Mail-Briefe), die täglich, wöchentlich oder monatlich verschickt werden, seien es die Wirtschaftsmeldungen der Deutschen Welle (jeweils um 17.00h) oder Kurzhinweise auf die Online-Artikel der aktuellen Ausgabe des betreffenden Magazins. Genauere Hinweise zu "Newslettern" bietet das "Unterrichtsdossier" der Nummer 12-1998 des "Infobriefes Wirtschaftsdeutsch" (s. Archiv von www.wirtschaftsdeutsch.de). Der Infobrief Wirtschaftsdeutsch soll vor allem der eigenen Weiterbildung dienen und erscheint monatlich mit Rubriken wie "WWW-Unterrichtsdossier", "Aktuelles Thema", "Webangebot des Monats", "Technische Tipps", "Neue Links in der KWW", "Aktuelle Anfragen aus der Sprachberatung Wirschaftsdeutsch". Der letztgenannte E-Mail-Service hilft individuell weiter und garantiert eine persönliche Antwort spätestens innerhalb von 2-3 Tagen. Eine gezielte Recherche nach Informationen zur persönlichen Weiterbildung erlaubt die KWW-Rubrik "Didaktik Wirtschaftsdeutsch". Dort finden sich Hinweise zu einschlägigen Fortbildungsseminaren, online zugänglichen Fachartikeln und Literaturdatenbanken, Informationen zu den entsprechenden Fachprüfungen u.a.m. auf (etwa die genaue Beschreibung mit Beispielaufgaben der Prüfungen "Wirtschaftsdeutsch International" und "Deutsch für den Beruf", die auf den Seiten des Goethe-Institut angeboten werden, ebenso wie eine Prüfung Wirtschaftsdeutsch der Österreichischen Handelskammern). Mit den anderen KWW-Kategorien lassen sich außerdem statistische Zahlen gezielt suchen, Marktstudien für eine bestimmte Branche anfertigen, sämtliche Paragraphen des Handelsrechts im Original abfragen usw. Damit begeben wir uns bereits in den Bereich der Unterrichtsvorbereitung und -unterstützung durch das Internet, wenn wir von der Perspektive der Lehrenden ausgehen. (Wer in der Wirtschaft arbeitet, wird derartige Fertigkeiten erst recht brauchen, dann allerdings nicht zu Lehrzwecken). Die Möglichkeiten, mit Hilfe des Internet fachlich und fachdidaktisch auf der Höhe zu bleiben oder sich gezielt weiterzubilden, sind enorm. Sie zu nutzen bleibt der persönlichen Initiative überlassen und erfordert trotz Serviceleistungen wie denen des "Forums Wirtschaftsdeutsch" einiges an Zeit und Selbstdisziplin. |
3. Das WorldWideWeb als MaterialsteinbruchUnterrichtsprojekte mit E-Mail oder Webintegration erhalten traditionellerweise die größte Aufmerksamkeit in den didaktischen Publikationen, die der Internetnutzung gewidmet sind. Wir halten das für einen Gewichtungsfehler. Weltweit kann nur ein relativ geringer Prozentsatz der Lehrenden für seinen Unterricht auf ausreichend große Computerräume mit Internetanschluß zurückgreifen. Selbst um Internetaktivitäten aus dem Gruppenunterricht in individuelle Arbeitsphasen (Hausaufgabe, Selbstlernzentren) auszulagern, fehlen häufig die technischen Voraussetzungen. Möglichst alle Lerner müßten dann nämlich in der Ausbildungsinstitution, am Arbeitsplatz oder zu Hause über einen Internetzugang verfügen. Ganz abgesehen davon ist es auch in Zukunft weder wünschenswert noch zu erwarten, daß der Umgang mit dem PC die dominierende Unterrichtsform wird und das Arbeiten mit anderen Medien, insbesondere gedruckten Materialien überflüssig macht. Das Faszinierende ist ja gerade, daß das Internet bereits jetzt den "traditionellen" Unterricht qualitativ verbessern kann, indem sich die Lehrenden wie gesehen individuell fortbilden und vor allem das Internet als einen ungeheuren Steinbruch für authentische Unterrichtsmaterialien (Print-/Hörtexte) und didaktisch fertig aufbereitete Übungen nutzen können. Die unmittelbare Nutzung des WWW für den Unterricht kann dabei quasi organisch aus der 1. Funktion hervorgehen, wenn man im Rahmen der Informationsgewinnung auf Texte stößt, die man gerne im Unterricht einsetzen möchte. Und wer Lerner bestimmter Firmen unterrichtet, wird häufig gezielt alle auf Deutsch zugänglichen Informationen über dieses Unternehmen und die spezielle Branche suchen. Außerdem hat man als Lehrender in Wirtschaftsdeutsch vielleicht den Ehrgeiz, je nach gerade behandeltem Thema mit den aktuellsten Zahlen, Fakten und Texten aufzuwarten, und das zwangsläufig unflexible, meist mehrere Jahre alte Lehrbuch optimal zu ergänzen: Messetermine des laufenden Jahres, derzeitige Gehälter nach Branchen, Exportüberschüsse des letzten Monats, Börsenkurse vom Vortag, neuestes Schaubild zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit, Liste der Länder der Europäischen Währungsunion, aktuelle Artikel über den neuen Finanzminister oder die Rolle der Gewerkschaften, Wirtschaftsnachrichten des Tages oder wichtige Reden zum Euro stehen zum Ausdruck oder z.T. auch als Hörtext (selten und aus Qualitätsgründen derzeit noch nicht empfehlenswert als Mini-Video) zur Verfügung - wenn man sie denn findet. In solchen Fällen muß man bereits gezielte Recherchen anstellen, die viel Zeit verschlingen können. Wiederum sollen die systematischen Rubriken der KWW helfen - insbesondere die in der Rubrik "Wirtschaft aktuell" gesammelten Adressen von online durchsuchbaren Pressearchiven: Ist die Zahl der aktuellen Meldungen und Artikel im Internet auch groß, so haben sie doch eine recht kurze Verfallszeit (ein Tag bis eine Woche), nach der die Artikel gar nicht mehr erreichbar sind oder meist in Archive eingestellt werden. Viele davon sind kostenpflichtig, während die kostenlosen und für Recherchen geeigneten Archive oft nicht leicht zu finden sind - etwa weil es sich um eine zwar gute, aber international kaum bekannte Regionalzeitung handelt. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die vielen wirtschaftsdeutschspezifischen Materialien, die als "Downloads", als Online- oder Ausdruckübung aus dem Internet "gezogen" werden können. Darunter ist sehr vieles, was in kaufmänischen Berufsschulen für Muttersprachler gedacht ist, aber es gibt beispielsweise auch vollständige Sprachkurse wie ihn etwa die Deutsche Welle mit ihren 25 Lektionen von "Marktplatz Deutsch" anbietet (Arbeitsblätter und Hörtexte zum Herunterladen), Arbeitsblätter zum Telefontraining (IIK Düsseldorf), ein sehr umfassendes Lernpaket zur Handelskorrespondenz (Fachhochschule Ulm) oder Simulationen einer Greschäftsreise unter Einsatz von Internetressourcen (GI Helsinki). Leider sind viele dieser Angebote ziemlich versteckt, quer durchs Netz verstreut und per Suchmaschine nur mit viel Zeitaufwand zu finden. Die Rubrik "Didaktik" der Kommentiertern Webliographie Wirtschaftsdeutsch (KWW) stellt einen Versuch dar, sie zusamenzufassen. Einen alternativen Zugang bietet die abfragbare Datenbank des Servers www.deutsch-als-fremdsprache.de (Abfrage mit der Kategorie "Wirtschaftsdeutsch" + weitere Spezifizierungen). Wer Wirtschaftsdeutsch vermittelt, findet also im Internet nicht nur eine unerschöpfliche Bestand an authentischen Texten und aktuellen Informationen, sondern auch eine große Menge bereits für den Unterricht aufbereiteter Materialien, bei denen er sich bedienen kann. |
4. Unterrichtsprojekte WirtschaftsdeutschKommen wir zum letzten Aspekt des Interneteinsatzes im Unterricht Wirtschaftsdeutsch: die Internetnutzung durch die Lerner. Es bestehen drei Möglichkeiten
Bei ersteren gilt - für Lerner entsprechend adaptiert - das unter 3. Gesagte: Sie können versuchen die Online-Wirtschaftspresse zu lesen, sich über eine bestimmte Branche informieren oder für sie geeignete Lernmaterialien bearbeiten.2 Als Beispiele für Hausaufgaben wären zu nennen: mündliche oder schriftliche Firmenpräsentationen vorbereiten, Material für Kurzreferate zu bestimmten Sachthemen recherchieren, einen aktuellen Börsenbericht zusammenstellen oder die Kursentwicklung einer bestimmten Aktie über einen längeren Zeitraum verfolgen, eine Geschäftsreise mit Flug-, Zug-, Straßenverbindungen, Hotel und Restaurant verbindlich planen u.v.a.m.. Wiederum ist es notwendig, geeignete Startpunkte zu kennen, damit nicht planlos gesurft wird und akzeptable Resultate in vertretbarer Zeit erzielbar sind. Viele Lerner fühlen sich zwar im WWW durchaus zu Hause und können sich dort gut "amüsieren", bei der gezielten Informationsbeschaffung - zumal in einer fremdsprachigen WWW-Welt - sind sie aber vollständig hilflos. Wie weit die Internetaktivitäten in den Unterricht selber integriert werden oder nicht ist eine Frage der Ausstattung und der Unterrichtsplanung. Unabhängig davon gibt es eine Reihe von immer wiederkehrenden Lehrbuchthemen, die besonders internetgeeignet sind, weil das Web hier eine große Reihe interaktiver und authentischer Sprachhandlungsmöglichkeiten bietet:
Diese Aktivitäten sind natürlich vor allem dann sinnvoll, wenn sie in komplexere Simulationen und andere Sprachaktivitäten, insbesondere Sprechen und Hören - etwa durch Rollenspiele - integriert sind. |
|